Immer diese Herzscheiße (German Edition) by Nana Rademacher

Immer diese Herzscheiße (German Edition) by Nana Rademacher

Autor:Nana Rademacher [Rademacher, Nana]
Format: epub
Herausgeber: Ravensburger Buchverlag
veröffentlicht: 2017-08-23T16:00:00+00:00


19

Als es klingelte, wollte ich gerade zur Schule. Ich saß auf meinem Bett und packte meine Sachen zusammen. Ich hatte ein total seltsames Gefühl im Bauch, um die Zeit klingelte normalerweise niemand. Ich machte meine Tür ein Stück auf. Mein Opa stand im Flur und vor ihm zwei Polizisten. Mir wurde mit einem Mal speiübel. Gropi wollte wissen, worum es geht. Ich hörte Diebstahl und alles war klar. Die waren wegen mir da. Bloß weg hier. Sofort. Ich packte meine Jacke, meinen Rucksack, kletterte aus dem Fenster und rannte die Straße runter zum Neckar.

Ich sah mich immer wieder um, aber da war niemand. Keine Polizei jedenfalls.

Als ich unten an der Brücke ankam, warf ich meinen Rucksack auf den Boden und hockte mich hin. So schnell war ich noch nie im Leben gelaufen. Ich brauchte ewig, bis ich wieder normal atmen konnte. Ich wusste überhaupt nicht, was ich denken sollte.

Mein Herz schlug immer noch wie bescheuert und in meinem Kopf pochte es. Es gab nur eine Erklärung. Die Bullen waren bei Paul gewesen und er hatte denen gesagt, dass ich die Totenkopf-Kapuzenjacke geklaut hatte.

Paul hatte denen meinen Namen und meine Adresse gegeben.

Nur Paul wusste alles. Paul, der was richtig machen wollte im Leben.

Paul hatte mich verraten!

Paul!

Vielleicht waren die sogar schon letzte Woche bei ihm gewesen, und er war trotzdem ins Playhouse gekommen, als ob nichts wäre. Das hätte ich nie von ihm gedacht. Und dann hatte er sich noch an Dixi rangemacht und Dixi an ihn. Sollten die doch zusammen glücklich werden.

Ich ging ein Stück am Fluss entlang bis zu meiner Stelle, holte das Wellblech und das Stüropor raus und setzte mich ganz nah ans Ufer zwischen die Büsche. Ich konnte nicht mehr nach Hause, in die Schule schon gar nicht, und Dixi war auch nicht mehr meine Freundin – alles wegen Paul.

Was sollte ich denn jetzt machen? Früher hätte ich zu meinem Bruder gehen können, aber das ging gar nicht, der war nicht mehr auf meiner Seite. Mir war übel, als hätte ich was Falsches gegessen, und ich zitterte, aber nicht weil es draußen kalt war, sondern in mir. Ich zog meine Beine ganz eng an mich und hielt sie, so fest es ging. An meine Oma versuchte ich erst gar nicht zu denken. Aber dann schickte ich doch ein Gebet an ihren Gott, vielleicht gab’s den ja wirklich und er passte auf sie auf. Wenn wenigstens Mütze noch da gewesen wäre, aber der war auch einfach abgehauen. Mit Mütze hatte die ganze Sache unter der Brücke überhaupt erst angefangen, und die Sache mit dem Dealen auch, aber erst viel später, als ich älter war.

Ich erinnere mich ganz genau an den ersten Brückenabend. Ich war acht und Najim zwölf. Unsere Mutter war noch da. Sie lag im Wohnzimmer auf dem Sofa und starrte an die Decke. Ich zählte die Bierflaschen. Zehn. Najim war schon fast so groß wie sie. Er räumte die Flaschen vom Tisch und machte uns allen was zu essen.

In der Nacht konnte ich nicht einschlafen, und ich hörte, wie Najim aufstand und sich anzog.



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